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Testgüte und Testkonstruktion des HOSP

Beckmann (2003)

Der sportspezifische Handlungskontrollfragebogen (HOSP) von Beckmann (2003) basiert auf den Handlungskontrollmodi nach Kuhl (1994). Der HOSP umfasst drei Skalen, welche die Handlungs- und Lageorientierung nach Misserfolg (HLOM), bei der Handlungsplanung/-entscheidung (HLOP) und bei der Tätigkeitsausführung (HLOT) erfassen. Die Skalen setzen sich aus jeweils 12 Aussagen zusammen, bei welchen sich der Proband für eine von zwei Antwortalternativen entscheiden muss. Auf jeder Skala können maximal 12 Punkte erreicht werden, wobei gilt: je höher die Punktzahl, desto handlungsorientierter die Person.

 

Untersuchung und Stichprobe

Zur Prüfung der Testgütekriterien kamen drei Stichproben zum Einsatz.

Auf Grundlage der Stichprobe 1 wurden die Retestreliabilität und die Konstruktvalidität bestimmt. Stichproben 2 und 3 wurden zur weiteren Validierung herangezogen.

Stichprobe 1

In Stichprobe 1 füllten 128 Sportstudierende die Fragebögen HOSP und VKS (Wenhold, Elbe & Beckmann, in Druck) aus. Davon waren 58 weiblich (45.3%) und 70 männlich (54.7%). Insgesamt konnten 51 als Leistungssportler/-innen klassifiziert werden und das Durchschnittsalter lag bei 24 Jahren (SD = 2.4).

Zur Bestimmung der Retestreliabilität füllten 54 Athleten/-innen den HOSP nach sechs Wochen erneut aus. Als Hinweis auf Konstruktvalidität sollte der HOSP in der Lage sein, volitionale Fertigkeiten und Defizite des VKS zu prognostizieren.

Stichprobe 2

Zur weiteren Konstruktvalidierung wurden 67 Sportstudierenden in Stichprobe 2 die Fragebögen HOSP und HAKEMP 90 (Kuhl, 1990) vorgelegt. Dabei handelte es sich um 32 Studentinnen (47.8%) und 35 Studenten (52.2%) mit einem Durchschnittsalter von 23 Jahren (SD = 2.5).

Eine Korrelationsanalyse sollte geringe bis mittlere Zusammenhänge zwischen der sportspezifischen (HOSP) und der allgemeinen Version (HAKEMP 90) ergeben.

Stichprobe 3

Stichprobe 3 diente ebenfalls der Bestimmung der Konstruktvalidität und umfasste 84 Athleten/-innen, die den HOSP und den HAKEMP 90 ausfüllten. Es handelte sich dabei um 37 weibliche (44%) und 47 männliche (56%) Athleten/-innen mit einem Durchschnittsalter von 24 Jahren (SD = 5.4). Von 19 Athleten/-innen wurde nach dem Training die Flow Kurzskala (FKS; Rheinberg, Vollmeyer & Engeser, 2003) zusätzlich ausgefüllt, welche das Flow-Erleben misst. Dabei handelt es sich um „das selbstreflexionsfreie, gänzliche Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit, bei der man trotz voller Kapazitätsauslastung das Gefühl hat, den Geschehensablauf noch gut unter Kontrolle zu haben“ (Rheinberg, 2004, S. 345). Die FKS erfasst verschiedene Aspekte: die Skalen glatter Verlauf und Absorbiertheit ergeben das Flow-Erleben. Im Sinne der konvergenten Validität sollte die FKS Skala Absorbiertheit positiv mit der HOSP Skala Handlungsorientierung bei erfolgreicher Tätigkeitsausführung (HOT) zusammenhängen, da es sich hierbei um das Aufgehen in einer Tätigkeit und das Ausblenden von Dingen außerhalb dieser Tätigkeit handelt.

 

Ergebnisse

Reliabilität

Mit einem Testwiederholungsintervall von sechs Wochen ergab die Retestreliabilitätsprüfung Koeffizienten zwischen rtt = .65 und rtt = .81.

HOSPRetestreliabilität (N=54)
Misserfolgsbezogene Handlungs-/Lageorientierungrtt = .81**
Planungsbezogene Handlungs-/Lageorientierungrtt = .65**
Tätigkeitsbezogene Handlungs-/Lageorientierungrtt = .73**

Anmerkung: ** p < .01

 

Validität

Für die Skalen des HOSP wurden verschiedene Außenkriterien herangezogen.

Im ersten Schritt der Konstruktvalidierung wurde zunächst der Zusammenhang zwischen dem allgemeinen Fragebogen HAKEMP 90 (Kuhl, 1990) und der sportspezifischen Version anhand zweier Stichproben bestimmt (siehe Tabelle 3).


HOSP / HAKEMP 90Stichprobe 2 (N = 67)Stichprobe 3 (N = 84)
Misserfolgsbezogenr = .72**r = .69**
Planungsbezogenr = .41**r = .42**
Tätigkeitsbezogenr = .44**r = .38**

Anmerkung: ** p < .001

 

Wie die Tabelle zeigt, ergeben sich die erwarteten geringen bis mittleren Zusammenhänge (Bühl & Zöfel, 2000). Für die misserfolgsbezogenen Skalen ergibt sich in Stichprobe 2 ein hoher r = .72 Zusammenhang. Hier könnte man annehmen, dass eine sportspezifische Skala redundant ist. Es wurde daher geprüft, ob sich die Höhe der durchschnittlichen Ausprägung auf der allgemeinen und sportspezifischen Skala unterscheiden. Die Analyse ergab einen signifikanten Unterschied in beiden Stichproben.

 Stichprobe 2Stichprobe 3
 MWSDT-TestMWSDT-Test
HOM (HAKEMP 90)3.822.58T = -6,34; p < .0014.953.13T = -6,07; p < .001
HOM (HOSP)5.462.946.552.95

 

Im nächsten Schritt der Konstruktvalidierung wurde der VKS (Wenhold, Elbe & Beckmann, in Druck) als Außenkriterium eingesetzt. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse der schrittweisen Regressionsanalyse dargestellt, wobei die Skalen des HOSP Prädiktoren und die Skalen des VKS Kriterien darstellen. Die planungsbezogene Skala HOP sowie die tätigkeitsbezogene Skala HOT sind in der Lage die Fertigkeitsskala Selbstoptimierung des VKS vorherzusagen und klären 29% der Varianz auf. Die misserfolgsbezogene Skala HOM eignet sich zur Vorhersage des volitionalen Defizits Selbstblockierung mit einer Varianzaufklärung von 23%. Die Defizitskala Aktivierungsmangel kann durch HOP und HOT zu 26% aufgeklärt werden. HOT kann bei der Defizitskala Fokusverlust als einziger Prädiktor einen Vorhersagebeitrag leisten (7% Varianzaufklärung).


 VKS
HOSPSelbstoptimierungSelbstblockierungAktivierungsmangelFokusverlust
HOM misserfolgsbezogen(b = .02)  b = -.48**(b = -.10)(b = -.14)
HOP planungsbezogen  b = .32**(b = -.11)  b = -.41**(b = -.17)
HOT tätigkeitsbezogen  b = .31**(b = -.02)  b = -.18**  b = -.26**
  R2 = .29R2 = .23R2 = .26R2 = .07

Anmerkung:         ** signifikantes Beta-Gewicht;  (b)  Beta In bei Ausschluss;                 R2  Determinationskoeffizient

 

Zur weiteren Konstruktvaliderung wurde im dritten Schritt die tätigkeitsbezogene Skala HOT mit der Flow Kurzskala (FKS; Rheinberg, Vollmeyer & Engeser, 2003) korreliert. Es ergab sich der erwartete signifikant positive Zusammenhang mit der Skala Absorbiertheit (r = .45; p ≤ .05) der FKS.

 

Bedeutung für die Praxis

Durch zahlreiche empirische Untersuchungen konnte belegt werden, dass sich lageorientierte Personen nicht von einem Misserfolg lösen können und dadurch die Leistung bei einer nachfolgenden Tätigkeit beeinträchtigt werden kann (Kuhl, 1981). Besonders wichtig scheint für den Sportbereich der Grad der Handlungskontrolle bei (erfolgreicher) Tätigkeitsausführung zu sein. So korrelierte diese Skala bei einer Untersuchung von 91 LeichtathletInnen (Beckmann, 1987) mit der sportlichen Leistung. Die Handlungskontrolle bei (erfolgreicher) Tätigkeitsausführung gibt an, wie stark eine Person in einer Aktivität aufgehen kann und stellt eine Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung eines sportlichen Trainings sowie für Höchstleistungen dar. Bezüglich der anderen Komponenten sind die Ergebnisse jedoch komplexer. So fand Beckmann (1987) in einer Untersuchung im Bereich der Leichtathletik, dass die Kombination einer misserfolgsbezogenen Lageorientierung und einer Handlungsorientierung bei der Tätigkeitsausführung, Höchstleistungen in den Disziplinen begünstigt, bei denen es auf kurzfristige Maximalkraftleistung (z.B. Kugelstoßen, Hochsprung) ankommt. Bei anderen Arten von Leistungsanforderungen (Ausdauerleistungen, Kampfsportarten) kommt es bei dieser Kombination hingegen zu Beeinträchtigungen (Beckmann & Kazén, 1994). Dies ist im Falle von Lageorientierung eine Konsequenz der mangelnden Selbstregulationsfähigkeit. Die Lageorientierung begünstigt einerseits eine maximale Ressourcenausschöpfung, wodurch diese Ressourcen aber andererseits frühzeitig erschöpft sind.

Weitere Ergebnisse weisen nach, dass die Handlungskontrolle ebenfalls zur Talentprädiktion geeignet ist. So zeigen leistungsstärkere LeichtathletInnen und HandballerInnen eine höhere Handlungsorientierung nach Misserfolgen (Seidel, 2002).

 

Literatur

Beckmann, J. (1987). Höchstleistungen als Folge missglückter Selbstregulation. In J.P. Janssen, E. Hahn & H. Strang (Eds.), Handlungskontrolle und soziale Prozesse im Sport (pp. 52-63). Köln: bps.

Beckmann, J. (1994). Volitional correlates of action versus state orientation. In Kuhl, J. & Beckmann, J. (Eds.), Volition and Personality. Action versus state orientation (pp. 155-166). Göttingen: Hogrefe & Huber Publishers.

Beckmann, J. (2003). HOSP. Unveröffentlichter Fragebogen, Universität Potsdam.

Beckmann, J. & Elbe, A.-M. (2003).Action Control Scale-Sport. Potsdam: Unpublished Manuscript.

Beckmann, J. & Kazén, M. (1994). Action and state orientation and the performance of the top athletes. In Kuhl, J. & Beckmann, J. (Eds.), Volition and Personality. Action versus state orientation (pp. 439-451). Göttingen: Hogrefe & Huber Publishers.

Beckmann, J. & Trux, J. (1991). Wen lasse ich wo spielen? Persönlichkeitseigenschaften und die Eignung für bestimmte Positionen in Sportspielmannschaften. Sportpsychologie, 5 (3), 18-21.

Bühl, A. & Zöfel, P. (2000). SPSS Version 10. Einführung in die moderne Datenanalyse unter Windows. München: Addison-Wesley.

Kuhl, J. (1981). Motivational and functional helplessness: The moderating effect of state versus action orientation. Journal of Personality and Social Psychology, 40, 155-170.

Kuhl, J. & Beckmann, J. (1983). Handlungskontrolle und Umfang der Informationsverarbeitung: Wahl einer vereinfachten (nicht optimalen) Entscheidungsregel zugunsten rascher Handlungsbereitschaft. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 14, 89-100.

Kuhl, J. (1990). Der Fragebogen zur Erfassung von Handlungs- versus Lageorientierung (HAKEMP 90). Universität Osnabrück.

Kuhl, J. (1994). A theory of action and state orientation. In Kuhl, J. & Beckmann, J. (Eds.), Volition and Personality. Action versus state orientation (pp. 9-46). Göttingen: Hogrefe & Huber Publishers.

Rheinberg, F. (2004). Intrinsische Motivation und Flow-Erleben. In J. Heckhausen und H. Heckhausen (Eds.), Motivation und Handeln (3. Aufl., in Vorbereitung) Berlin: Springer.

Rheinberg, F., Vollmeyer, R. & Engeser, S. (2003). Die Erfassung des Flow-Erlebens. In J. Stiensmeier-Pelster & F. Rheinberg (Hrsg.), Diagnostik von Motivation und Selbstkonzept (S. 261-279). Göttingen: Hogrefe.

Seidel, I. (2002). Die Handlungskontroll-Disposition als Unterscheidungskriterium unterschiedlich talentierter Nachwuchsathleten im Handball und Schwimmen? In A. Hohmann, D. Wick & K. Carl (Hrsg.), Talent im Sport (S. 243-250). Schorndorf: Hofmann.

Wenhold, F., Elbe, A.-M. & Beckmann, J. (in Vorbereitung). VKS: Fragebogen zur Erfassung volitionaler Komponenten im Sport, Manual. Bundesinstitut für Sportwissenschaft.